Angstmanagement und realitätsnahe Selbstverteidigung
„Wer die Angst überwindet, erlangt Freiheit.“
Ralph Waldo Emerson
Angst ist eine natürliche Reaktion auf Bedrohungen und potenzielle Gefahren. Sie kann jedoch lähmend wirken, wenn sie uns hindert, in Situationen zu handeln, in denen wir uns verteidigen müssen. In diesem Blogbeitrag behandele ich das Thema Angstmanagement im Rahmen der realitätsnahen Selbstverteidigung.
Physiologische Grundlagen

Unsere Sinnesorgane z.b. die Ohren hören ein lautes Geräusch und empfinden das als bedrohlicher Reiz, es werden dadurch unseren Sinneszellen aktiviert. Im Gehirn werden diese Sinnesinformationen analysiert und interpretiert, um die Bedeutung des Reizes zu verstehen und zu identifizieren. Entweder kennen wir den Reiz durch persönlicher Erfahrung und/oder kulturelle Einflüsse, die mit Angst und Gefahr assoziiert werden. Die interpretierten Sinnesinformationen werden an das limbische System des Gehirns weitergeleitet. Die Amygdala bewertet den Reiz auf seine Bedrohlichkeit und löst dann bei Bedarf Emotionen aus, z.b. Furcht. Die emotionale Bewertung aktiviert das autonome Nervensystem, bereitet den Körper auf eine angemessene Reaktion vor, Flucht, Kampf, Freeze und Fright vor. Der bedrohliche Reiz setzt Adrenalin frei und erhöht die Herzfrequenz, die Kontraktion der Blutgefäße und erweitert die Atemwege.
Welche Adrenalineffekte gibt es?
Die alle unten erwähnten Effekte werden nicht auf einmal in einer Stresssituation stattfinden. Die rot markierten finden fast immer statt.
- Tunnelblick
- Aufdringliche ablenkende Gedanken
- Autopilot
z.b. man arbeitet in einem Gebäude seit mehreren Jahren und kennt alle Ecken, z.b. das, brennt dann rennt man automatisch los, um aus dem Gebäude hinauszukommen. - Dissoziation – es kommt zu „außerkörperlichen Erfahrungen“, man glaubt, man beobachtet alles außerhalb von seinem Körper
- Erinnerungsfälschung – manchmal sagen Zeugen falsch aus z.b. die Hose war blau eigentlich, war sie schwarz.
- Erinnerungsverlust
- Geräuschausschluss
- Geräuschverstärkung
- Beharren – Wiederholung wirkungsloser Handlungen (https://www.youtube.com/watch?v=UluM9kPkVDo) (Warnhinweis: verstörende Szene enthalten) der Polizist Dinkheller war so im Kreislauf der Ansprache gewesen, dass es tatsächlich für ihn zu spät gewesen ist.
- veränderte Zeitwahrnehmung, es kann mal schnell oder langsam ablaufen, es kommt darauf an, wie unser Gehirn die Denk und Wahrnehmungsprozesse ablegt. Meine Erfahrung habe ich schon damit gemacht: dass ich im Dienst an der Tür einen Schlag zum Kopf sehr langsam auf mich zukam und nach hinten auspendeln konnte. Es fühlte sich sehr komisch für mich an.
- Verlust der Tiefenwahrnehmung – Wir unterschätzen, ob der Täter nah oder fern vor mir stand oder wie groß die Gegenstände/Waffe waren. z.b. ich habe mal einen Einbruch entdeckt und observiert als Streifenwagenfahrer. Täter hebelten die Tür auf, ich dachte wirklich der Schraubendreher war groß, nein war er nicht, als die Streifenpolizei zuschlug und mir den zeigten, war er nicht mehr in der Größe, den ich gesehen habe. lach …
- Verlust des Schmerzempfindens
Freeze und Fright – in der realitätsnahen Selbstverteidigung

Kurzzeitiges Erstarren (Freeze) kann durch gutes Training minimiert werden. Die zweite Form ist Fright. Sie tritt auf, wenn der Kampf erfolglos war. Dies passiert, wenn der Körper zu viel Adrenalin ausschüttet, zum Beispiel bei einem Hinterhalt. Betroffene fühlen sich dann oft überwältigt und handlungsunfähig.
Betroffene beschrieben folgende Wahrnehmungen:
1. warmes schwebendes Gefühl
2. ozeanartiges Rauschen in den Ohren
3. Ausbleiben von Angst.
Angstmanagement und Verhalten in der realitätsnahen Selbstverteidigung.

In der realen Welt sieht ein Raubüberfall immer anders aus, vorwiegend wird das Opfer angeschrien oder nur die Waffe gezeigt und kommuniziert, kann auch überwiegend verdeckt sein.

Es gibt 3 Verhalten, in den man in einer bedrohlichen Situation rutschen kann: Es gibt das fatalistische Verhalten, man akzeptiert sein Schicksal und man nimmt es passiv hin. Bei der Panik reagieren Menschen unkontrolliert und übertrieben auf eine Bedrohung, überwiegend wird diese Situation noch verschlimmert. Bei der Lethargie reagieren die Menschen passiv und unangemessen. Sie kommen aus dem Freeze nicht raus, es fehlen Handlungsoptionen oder sind überfordert.
In einer realitätsnahen Selbstverteidigungstraining kommen wir an unsere Grenzen, im Training wird später auch mal ein Ballistic Micro Fight™ oder Situationstraining angewendet. Das heißt: Die Situation muss den TeilnehmerInnen psychisch überfordern, dass sie trotzdem Handlungsfähigkeit bleiben. Sie werden dadurch resilienter und können später mit stressigen Ereignissen besser umgehen.
- Ballistic Micro Fight – Das sind im Kontext kleine Kämpfe mit gepolsterten Angreifern, ohne zu deeskalieren.“ (siehe Video)
- Situationstraining – alle beide sind natürlich auch gepolstert und es geht darum, die Lage entweder verbal zu deeskalieren, Grenzen setzen oder mit Gewalt zu reagieren oder auch die Flucht anzustreben.

Wie oben schon erwähnt, hat fast jeder in diesen Leben Erfahrungen mit Gewalt gesammelt und vielleicht auch schon traumatisiert. Jetzt ist es wichtig, mit dem realitätsnahen Training mit den TeilnehmerInnen traumasensibel umzugehen. Deshalb sollte auch im realitätsnahen Szenariotraining Sicherheitsregeln geben.
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